Der letzte Schein

Der goldene Schein der Sonne
hüllt die Blätterfülle ein.
Oktober sinkt zu Boden
groß und still und fein.

Ein letztes Wippen trägt
den Ast ins Dunkel,
dort in des Waldes
märchenhaftes Gefunkel.

Aus Seide webt der
letzte Augenblick,
zierliche Stimmen zwitschern
fragliches Glück.

Ein Fahrzeug auf dem Weg
entfährt und erschallt.
Bezaubernde Stunde,
verträumt und verhallt.

Schleier aus Pergament,
Brokat und Amethyst,
süßes, schmerzhaftes
Leuchten erlischt.

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Abschied im November

Es hatte den ganzen Tag geregnet.
Doch als ich ins Zimmer meiner
Mutter trat, schien die
Sonne durchs Fenster.

Die alte Frau lag im Bett.
Ihr Gesicht spitz, die Augen
leer. Der Atem flach.
Er setzte mehrfach aus.

Sie lag im Sterben. Ich
hatte sie in den letzten
Jahren gepflegt. Sie war
zweiundneunzig Jahre alt.

Ihre Zeit war gekommen.
Ich legte meine Hand auf
ihre Stirn und den Brustkorb
und wartete. Als sie ihren

letzten Seufzer entließ,
öffnete ich das Fenster und
entzündete eine Kerze.
Meine Mutter war gestorben.

Tränen liefen über mein Gesicht.
Die Zeit stand still. Ich rief
den Arzt an und teilte ihm
mit, dass meine Mutter

gestorben sei. Er fragte,
ob ihr Kinn erstarrt wäre?
Eine Stunde später erschien
mein Sohn, um sich von

seiner Oma zu verabschieden.
Wir saßen schweigend an
ihrem Bett, blickten zum
Fenster hinaus, hinter dem

der Herbstabend sank.
Nachdem der Arzt ihren Tod
festgestellt hatte, rief ich das
das Beerdigungsinstitut an

und verabredete, dass der
Leichnam am nächsten
Morgen abgeholt werden soll.
Der Geist meiner Mutter war

gegangen. Sie hatte mich
geboren, mich zu dem
werden lassen, der ich
war. Ich war selten mit

ihr einverstanden gewesen.
Doch jetzt entzog sie mir
ihre schützende Hand.
Mein Sohn und ich tranken

Kaffee, dann fuhr er nach Hause.
Es war Abend geworden. Ich
blickte ins Dunkel der Nacht,
zu den leuchtenden Sternen.

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Nächtliche Debatte

Träum ich oder wach ich?
Wandelt dort ein Geist?
Die Mauer stürzt, das Haus zerfällt,
von schwarzer Nacht umkreist.

Öde Schatten irren durch die Stadt,
vermummte Narren hetzen.
Jeder folgt dem eigenen Ziel,
die Welt aus Hass zu fetzen.

Der Mond tanzt einen Walzer,
bin Fahrgast ohne Zug.
Ferne Nähe, dunkles Weit,
schick mir einen Gruß.

Will flüchten und muss bleiben,
hab Fragen in der Stirn,
suche Frieden, liebe Worte,
Antworten im Gestirn.

Doch nichts. So scheint’s.
Die Welt erfriert in Angst.
Ich kenn‘ die Zeichen,
suche einen Weg.

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