S-Bahn

Wer hier fährt, hat Schweißperlen auf der Stirn.
Ein spitzes Knie im leeren Magen.
Ein deutsches Schicksal –
hin-und hergestoßen.

Der Mief eines Jahrhunderts,
das Panoptikum menschlicher Nasen,
wer leben will, muss stinken.
„Wir alle setzen unseren Weg fort!“

Im Tunnel vor Treptow hat
jeder seine eigenen dunklen Gedanken:
Hau ich? Haust du? Am Ende bleibt
alles offen, selbst die Tür.

1980

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Bilanz

Eine Amsel sang auf der Frankfurter Allee.
Sang, als gäbe es den Lärm
der Autos nicht,
hingebungsvoll ihr schönstes Lied.

Bin ich verrückt?
Blieb ich der Einzige, der sie hörte?
Ein wütender Hund,
dem man das Fell abzieht.

Eine halbe Minute Glück,
teils Regen, teils heiter,
wie das Radio schon sagt.

1980

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Unentschlossen

Die Tür stottert
das Glas auf dem Tisch
ein Zittern der Körper
bei jedem Wort

Ehe wir scheiden
sind sieben Jahre vergangen
und das Wort
das keiner spricht
und geht

Kalt der Wind
Warum bin ich bei dir?
Liebe ich deine Hand? Deinen Mund?
Ist sie blind? Er taub?
Und?

Wer wird uns finden?
Und wie?
Wirf die Tür
Ich nicht
Du

1984

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