Die Frage

für Evelyn O.

Du stellst mir diese Frage
: Wie geht es Dir?
auf diese Art und Weise.
an einem gewöhnlichen Tag.

Es ist, hör ich mich sagen,
der Tag der Freiheit, ich könnte
klagen, aber ich singe
ein anderes Lied.

Ich kann nicht fliegen, kann
nicht singen, und doch ist es,
als erhöbe ich mich
über mich selbst.

Wie geht es dir?
Das neue System erinnert
mich an das alte,
als es am Ende war.

Ich weiß, genau genommen, nicht.
Nun ja, es geht.

Mein Kopf ist schwer wie eine Bombe,
ich lege Feuer an die Lunte.
Ich hänge süchtig an der gelben matten Scheibe.

Ein Wolf heult
seine Klage in die Nacht.

Du fragst. Ich sage
: ich schwimme im Eismeer,
ein Seehund. Ich meine nur.
Ich werde alt, ich spüre schon die

Knochen. Ich rieche aus dem Mund,
Ich weiß, genau genommen, nicht,
wozu? Das Leben ist eine liebe
Angewohnheit. Ich wohne zwischen Gärten,

Menschenvögeln haben
einen Stich, sie flattern.
Ich bin am Ende, mir geht es gut,
Es ist der Kampf der friedlichen Systeme,

ich spucke hin und wieder Blut.
Freue mich über das Kleine und
dass sich nichts ändern wird,
ich gehe barfuß über eine grüne Wiese,
hoffe irgendwas.

Du fragst. Was soll ich sagen?
Es ist der Tag ein schöner Nachmittag,
der Glauben ging verloren,
das Eismeer ist so kalt.

Du stellst mir diese Frage.
Ich schwimme, sage ich, mitten
im Leben.
Ich hasse diese Frage.


Veröffentlicht11. August 2020 von sylviawa in Kategorie "Nachkrieg