Mein Nachbar

Mein Nachbar gräbt den Garten um
ein Herr mit dünnen Haaren
Er fasst den Stiel
er tritt er stößt
seit Jahren schon in Rente
Er gräbt die deutsche
Geschichte um
Preußische Fruchtanlagen

Er zieht die Reihe
Kein Unkraut darf hier
Er sticht er rupft
genau und akkurat
Er war Soldat in Polen
Er läuft er fasst
Schwarzerde fällt zu Boden
und seine Frau ruft:
Heinz komm Kaffee!

Der Krieg
die schönste Zeit
Er presst den Stiel
bis er die Reihe zackig hat
Schweigend steht der Spaten still
in feuchtem Mutterboden

Nachts im Bett
erst hoch dann tief
dann links dann rechts
Er liegt im Schützengraben
und sieht die Kugel fliegen
Sie schwebt heran
direkt zu ihm
Sie trifft ihn mitten in die Stirn

1992


Veröffentlicht23. August 2020 von sylviawa in Kategorie "Schwelgen auf verlorenem Posten