Photogen

für meinen Vater zum 70. Geburtstag

Der Man und das Kind stehen Pfingsten
Neunzehnhundertzweiundsechzig
an der Hausäcke.
Der Man ist der Vater,
ein interessantes Gesicht,
hat sechsunddreißig Jahr,
hat sie vollendet.

Das Kind ist der Sohn, ist zehn,
mein Gott, sieht der hübsch aus!
Und schwarzweiß.
So lang ist das her!

Vater und Sohn haben gespielt,
haben Einkriegzäck im Gaahrden,
zwischen den Bäumen, auf der gälben Wiehse
unter dem Hümmel schwarzweiß,
bis zum umfallen.

Der Faahder ist auferstonden von seiner Orbeit,
von den Worten und Problämen.
Gudd Faahder,
Man mit fielen Worten.
Erholt sich vom Tohben.
Er sucht die Oblenkung.
Sieht er bedrickt aus?

Äs schmäckt dem Son die Mülsch aus
der grossen Tasse weißkaldfrüsch.
Die mit dem Hänkel ist aus
Königsberg mitgegommen.
Der Son hat sich gewetzt
nach dem Man
mit den fühlen Worten.

Klücklisch lähnt er an den Faahder.
Er libt den wie nichts.
Er schmiegt sich
wie nüschts auf der Welt:
Main ein und olles.

Der Man stäht in Gedanken,
er ist gedruckt, vielleischt wägen die
Plähne, Büscher, dicke Rohmane,
vielleischt, versunkener Blick, redigiert,
was anderes,
dos weiblüsche oder das
polütische Geschlächt?

Ein Schönman, ein Sorgenman.
Man, waren das tücklische Zeiten!
Die Zugkunft,
wer hätte dos gedacht:
wenn das Telephon schrillpst,
– Hallo! Folsch vabunden!

Unsichtbaranwesend:
Fraumudder, die Ärste, hinter dem Photoapparat.
– Komm, wir machen ein Büld!
Lächeln, Faahder! Guck hier, Son!
Nicht wackeln! Achtung!
– Golda, meine Einzige!
Warten auf Bässerung?
Ein Kint vasteht das nicht.

Klacks, spricht der Apparat,
Rolleiflex, GERMANY,
sächs mal sächs.
Äs gäht der Faahder zum
Schreibtisch schufteln,
die schröcklich füllen Worten,
Warianten, Interlinear.

Und Mudderfrau schwindelt ins Haus,
sie schaint lichtempfündlisch.
Nun: Der Son stäht im Gaahrden, zwischen
den Bäumen, auf der gälben Wiehse
unter dem Hümmel schwarzweiß.

– Faahder, spühlst du mit mir!
Der ist fortgeganken.
Die Äcke ist lär.
Am Tüsch sitzt ein Geist
und düchdet in
einem Wort –
Fort.


Veröffentlicht11. August 2020 von sylviawa in Kategorie "Nachkrieg